Neues aus dem Schwemmsandland - Agatha Die kleine Feldmaus Agatha, grau und recht unscheinbar, aber sehr pfiffig, wollte trotz ihrer kurzen Beine vor ewig langen Zeiten den großen Erdball bereisen. Geboren worden war sie in einem dunklen Nest an einem Feldweg nahe dem Ende der Welt. Als sie groß genug war, begann Agatha eines Tages, von dort aus einen Feld- und Wiesenweg entlang über Stock und Stein zu laufen. Erst durchwanderte sie die Heide bis nach Hamburg, um von dort aus auf einem großen Schiff mitzusegeln, das sie bis nach Amerika brachte. Sie besuchte die alten Azteken und das mit Menschen überfüllte Rio, kletterte später auf den gewaltigen Kilimandscharo in Afrika und überwand die steinigen Alpen in Europa. Die kleine Maus war ständig rastlos unterwegs, bis sie im Schwemmsandland an der Parthe ankam. Hier sollte ihre viele Jahre dauernde Weltreise alsbald enden. In Abtnaundorf, unweit der prächtigen Kastanienallee, fand Agatha ein nettes altes Gemäuer. Hier wollte sie nun endlich sesshaft werden und für alle Zeit bleiben. Vielleicht blieb sie aber auch, weil es in der Nähe einen Pferdehof gab. Oft drang von dort fröhliches Kinderlachen herüber. Ein kleiner brauner Hund bellte, wenn er der Hofkatze mit den langen weißen Schnurrhaaren begegnete. Und hier lebte auch eine kleine, flinke, braune Haselmaus. Die beiden kleinen Mäuse hatten sich geschwind angefreundet und gingen von nun an immer gemeinsam auf Futtersuche. Die kleine Haselmaus zeigte Agatha, wo es auf dem Pferdehof die Futterkammer gab und die fettesten Getreidekörner herumlagen. Agatha, die ehemalige Weltenbummlerin, war nun sehr glücklich und zufrieden. Sie fühlte sich wohl in ihrer neuen Heimat, nahe der Parthe. Endlich, nachdem Agatha so lange allein um die Welt gereist war, hatte sie ein schönes Zuhause gefunden. Ihr Zuhause war jetzt dort, wo ihr Herz vor Freude hüpfte, sie stets etwas zu essen fand und von einer lieben Freundin umgeben war. Sie fühlte sich wie im Schlaraffenland und bemerkte kaum, wie ein Tag vom anderen abgelöst wurde und die Jahre verstrichen. Agatha war nun schon recht betagt und ihre Beinchen vom vielen Laufen kürzer geworden. Doch die kleinen Beinchen gaben weiterhin keine Ruhe, sie wollten immer noch mehr laufen, laufen, laufen. Die kleine Feldmaus irrte ziellos und unentwegt schwatzend, tagein und tagaus in ihrem alten Gemäuer umher. Das macht ihrer Freundin, der kleinen Haselmaus, viel Kummer und mancherlei Sorgen machten sich in ihrem Kopf breit. Sollte sie für ihre Freundin alle anderen Mäuse der Gegend zu einem großen Erzählfest einladen, ihr einen Beruhigungstee kochen oder besser eine Einschlafgeschichte vorlesen? Die kleine Haselmaus hatte viele Ideen und einen guten Plan, aber alle lieb gemeinten Bemühungen nützten nichts. Agathas Leidenschaft fürs Laufen war einfach nicht zu bremsen und ihr Mundwerk stand nie still. Sie hatte ihrer guten Freundin doch noch so viele nette Erlebnisse von der langen Weltreise zu erzählen. Allerdings, da Agatha nun schon einige Zeit an der Parthe wohnte und zudem noch ständig sächsisch plapperte, verlernte sie die vielen anderen Fremdsprachen. Nur ein einziges spanisches Wort war ihr im Gedächtnis geblieben. Das fand sie schade. Damit sie dieses nicht auch noch vergaß, murmelte sie es andauernd vor sich hin. So sprach die kleine Maus: „Olé, olé, olé!“ und rannte dabei ganz selbstvergessen eine Mauer um. Das steinalte Gemäuer stürzte ein und Agatha war auf der Stelle mausetot. Die Menschenkinder von Abtnaundorf wurden seinerzeit sehr traurig. Sie hatten die kleine Maus in ihr Herz geschlossen. Nun war sie tot. Zu Agathas Ehren errichtete die kleine Haselmaus gemeinsam mit den Kindern an dieser Stelle ein Mausoleum. Unweit davon gibt es nun auch einen Gnadenhof für betagte Tiere, damit diese wie Agatha noch einen schönen Lebensabend haben. Die Kinder bringen oft Futter vorbei und verschenken gern unzählige Streicheleinheiten. |