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Leseprobe
„Plus Minus Null – Was von der Arbeit übrig bleibt“

„… und jetzt sind Sie dran!“
Eigentlich ist es wie immer. Was soll es heute schon Aufregendes geben?
Die Sonne scheint, ich sitze in diesem miefigen Großraumbüro mit Klimaanlage und wenig frischer Luft. Jetzt im Sommer ist es mir oft kalt, wenn die Luft aus dem Schacht über mir eingepustet wird. Nacken- und Muskelverspannungen sind an der Tagesordnung. Ein Schal tut gute Dienste.
Jedenfalls ist alles wie so oft. Was soll heute schon Ungewöhnliches passieren?
Die Leute draußen werden gute Laune haben und ich sitze hier, wie immer.
Ja, wie immer, schon seit Jahren.
Vor mir die blaue Wand, links neben mir auch eine blaue Wand. Wenn ich mich gerade auf meinen Stuhl setze, kann ich darüber schauen. Die Kanten von meinem Schreibtisch passen genau in den Winkel dieser blauen Wand. Das Blau ist samtig, fast wie Stoff.
Im Winkel, genau eingepasst, steht der Monitor meines PC. Davor liegt die Tastatur, mehr Platz habe ich nicht. Meine Kopfhörer, bereit zur Nutzung, ruhen darauf.
Noch eine Minute, dann muss ich eingeloggt sein. Das Programm registriert alles.
Den Beginn, meine Pausen, die Nacharbeit und auch die Gesprächszeit.
Wie immer, Tag für Tag, immer unter Kontrolle.
Meine Liste mit den Kundendaten habe ich überflogen, nichts Ungewöhnliches.
Wie immer erfahre ich den Kontostand des Kunden, wie viele Konten oder Sparbücher er hat und ob noch jemand verfügungsberechtigt ist. Vielleicht ist er auch alleiniger Kontoinhaber. Ich kann fast alles nachvollziehen. Mein Kunde zieht sich bildlich gesprochen fast nackig vor mir aus.
Es ist soweit und ich beginne mit meiner Arbeit.
„Guten Morgen, mein Name ist Brigitte Berger. Ich möchte bitte Herrn Meier sprechen.“
„Herr Meier ist nicht da, um was geht es?“
„Ich rufe im Auftrag seines Finanzinstitutes an.“
„Dann können sie es mir auch sagen, ich bin seine Frau!“
„Nein das darf ich nur dem Kontoinhaber.“
„Sie dürfen es mir sagen, ich bin seine Frau!“
„Wann kann ich Herrn Meier sprechen?"
„Für sie nicht, ich spreche mit ihm selber!“ und legt auf.
Na, der Tag fängt gut an! Herr Meier bekommt bestimmt einen Ehekrach.
Nächster Anruf.
„Guten Morgen, mein Name ist Brigitte Berger und ich grüße Sie Herr Schwarz.“
„Ich kenne Sie nicht, rufen Sie aus den neuen Bundesländern an?“
„Ja, Herr Schwarz und ich habe ein Anliegen an Sie.“
„Wenn Sie daher kommen, will ich mit Ihnen nichts zu tun haben!“
Das Gespräch wurde von ihm abrupt beendet.
Irgendetwas liegt in der Luft. Die Kunden, so scheint mir, sind heute etwas aufgebracht.
Vielleicht gibt es am Nachmittag ein kräftiges Gewitter.
Unsere Telefon-Trainerin meinte in der Ausbildung zu uns: “Manchmal hat man das Gefühl, ein Bus dummer Leute wurde vor der Tür ausgekippt. Machen sie sich nichts daraus. Telefonieren sie einfach weiter. Sie können nichts dafür. Oft liegt es am Wetter.

 
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